Jeden Morgen werden in Deutschland 3,7 Millionen Kinder von ihren Eltern in die Kita gebracht. Auf sie warten Freunde, Spiel, pädagogischer Input und Förderung – in weitaus größerem und professionellerem Umfang, als es Eltern und Familien in der Regel leisten können. Aber auch unverrückbare Abläufe, starre Regeln, durchorganisierte Räume und wenig individueller Spielraum sind Teil ihres Alltags in der Kita. Das Wort „Raum“ kann man hier durchaus wörtlich verstehen, denn in Deutschland stehen jedem Kita-Kind durchschnittlich 2,5 bis 3 Quadratmeter Innenraum zur Verfügung. Sich in diese vorgegebenen Strukturen einfügen zu lernen, ist eine große Anpassungsleistung von Kindern und Teil ihres Sozialisationsprozesses. Aber der begrenzte Raum – sowohl in seiner wörtlichen als auch übertragenen Bedeutung – heißt auch, funktionieren zu müssen und Anpassungsdruck und Normierung zu erleben.
In der Arbeit „3 m² Spielraum“ erkunde ich dieses Zusammenspiel von festgelegter Struktur der Tagesabläufe und räumlicher Funktionalität einerseits und dem Spielverhalten der Kinder und ihrer räumlichen Aneignung andererseits. Durch den begrenzten Raum wirken die Kinder ebenso vergegenständlicht und funktionalisiert in die Bilder integriert wie Bauklötze, Legosteine und Mobiliar. Diese Normierung und Vereinheitlichung spiegelt sich etwa auch in der stetigen Wiederholung der Grundfarben wider, die sowohl im Kita-Alltag als auch in den Bildern der Arbeit ganz bewusst strukturierend eingesetzt wird. Sie verdeutlicht, dass auch die Farbenwelt, die Kinder heutzutage umgibt, standardisiert ist und auch die über die Kita hinausgehenden Spielwelten durchgestylt und kommerzialisert sind.
Und dennoch erobern sich Kinder innerhalb dieser zugewiesenen, von Erwachsenen mit bestimmten Funktionen versehenen Räume ihre Frei- und Spielräume. Mit ihrer Fantasie erweitern und dehnen sie den beengten (Spiel-)Raum aus. Vorgegebene Ordnung und Struktur durchkreuzen und unterwandern sie und loten sie immer wieder neu aus. In einem stetigen Kreislauf aus Reglementierung und Ordnung-Schaffen im Gegensatz zu Chaos und Auflösung erfinden Kinder erwartete, zugewiesene Funktionen und Anwendungen neu und ändern sie ab – mal subtil, mal offen rebellierend.
Als Ort von Bildung und Sozialisation kann das Betreuungskonzept Kita immer nur vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Organisationsstruktur mit ihren Normen und Weltbildern gedacht werden. Kinder leben heute überwiegend mit ihren Eltern in kleinen Kernfamilien in Städten oder Ballungsgebieten. Weil häufig beide Eltern einem Job nachgehen, ist eine externe Betreuung der Kinder unabdingbar und zur Normalität für große Teile der in Familien lebenden Gesellschaft geworden.
Mein Anliegen ist es, diese Kita-Welt mit all ihren Vorzügen, Nachteilen und besonderen Gegebenheiten fotografisch darzustellen. Durch meine Rolle als betreuende Pädagogin erlebe ich das System Kita hautnah. Die Symbiose aus Fotografie und erzieherischem Tun hat diese besondere Innenschau – das Projekt 3 m² Spielraum – hervorgebracht.